Analoge und digitale Gemeinschaften auf der Cologne Commons

Am vergangenen Freitag war meine Band Von Korf eingeladen, auf dem Festival zur Konferenz Cologne Commons zu spielen. Vorher, am Nachmittag, saß ich auf einem Panel bei der Konferenz mit dem Thema „Sind Netlabel schon tot oder riechen sie nur komisch?“ um die Sichtweise der Musiker zu vertreten, auch und gerade deshalb, weil ich im Rahmen meiner Promotion zum Selbstmanagement von Musikern im Internet forsche.

Ich setzte mich gleich morgens in den Zug, um noch ein wenig von der Konferenz mitzubekommen. Als Reiselektüre nahm ich „Musik und Aufmerksamkeit im Internet“, eine aktuelle Studie von Martin Herzberg mit. Er hat fast 400 Musiker zu ihren Selbstmanagement-Strategien befragt, vielleicht würden mir seine Ergebnisse ja noch ein paar zusätzliche Impulse liefern. Zum Buch schreibe ich vielleicht an anderer Stelle mal eine Kritik, wenn ich mal wieder in einem Wurmloch sitze und das Glimmen der Bildröhre mein einziger Trost ist…
Drei Stunden später war ich passend zum Mittagsimbiss im Seminargebäude der Uni Köln. Circa 60 Teilnehmer, entspannte Stimmung. Im folgenden Doppelvortrag „Die Rationalität des Schenkens“ ging es Stefan Meretz mit dem Schlagwort „Bereichert euch!“ um einen neuen Reichtumsbegriff jenseits von Geldökonomie und Julio Lambing um eine Revision der Ideologie des Besitzindividualismus durch eine neue „Anerkennung der Abhängigkeit“.
„Ach ist das schön!“ dachte ich. Ich hatte ganz vergessen, dass es eine ganze Szene zu den Commons gibt, die den Ansatz nicht nur für´s Internet richtig findet, sondern gesamtgesellschaftlich denkt. Schön, hier sein zu dürfen und mal wieder ein wenig Gedankenfutter zu bekommen.
Im nächsten Doppelvortrag „Community Building“ wurde es dann ganz konkret. Heinz-Ulirch Eisner stellte die Kommune Villa Locomuna in Kassel vor. In und um Kassel gibt es vier Kommunen, und diese wurde erst im Jahr 2000 gegründet. Ich hatte gedacht, die Kommune sei ein Auslaufmodell. Hier erzählte nun ein sehr entspannter Herr Eisner von den Strukturen (25 Erwachsene plus Kinder in WGs, Wohnbaugenossenschaft, gemeinsame Ressourcen wie 2 Autos, 2 Waschmaschinen), vom Sozialen (Plenum, wenig Regeln und Kneipenabend für das Wichtigste: die persönliche Bindung und das Wissen voneinander) und vom Geld: alle Bewohner geben ihr komplettes Einkommen als Einkommensgemeinschaft auf ein gemeinsames Konto. Von dem werden alle Unkosten bezahlt: Gebäude, Fahrzeuge, Werkzeug, Lebensmittel. Zum Zweiten gibt es eine offene Kasse, aus der sich jeder nimmt, was er für „Klamotten, Kneipe, Kino, Urlaub“ braucht. Urlaub? Geht denn das ohne Neid und Streit? Was ist mit Zahnersatz? Das kann doch nicht funktionieren, dachte ich und hakte nach. Haben sie Bewohner überhaupt Anreize, Karriere zu machen und mehr zu verdienen? Der Karrierewille halte sich in Grenzen, erwiderte Heinz-Ulrich Eisner, dennoch, so sagte er mit einem Grinsen im Gesicht „Wir können alle sehr gut leben, ohne uns krumm zu machen.“ Größere Anschaffungen werden auf dem Plenum im Konsens beschlossen und seien nie ein Problem. Wichtig sei, dass man voneinander weiß, was anliegt. Verständnis statt Gerechtigkeit sei die Maxime. Die Kommune unterstützt z.B. auch Kinder von Bewohnern im Studium mit einem monatlichen Beitrag. Möglich ist das alles auch, weil die Nutzung gemeinsamer Ressourcen sehr viel Geld spart.
Wenn ich überlege, was eine normale Kleinfamilie an Fixkosten hat für Wohnung, Ausstattung, Auto – vielleicht kann man sich dieser Geissel viel weiter entziehen als mir bisher bewusst war. Sehr interessant.
Danach ging es weiter mit der jung-dynamischen Francesca Pick. Sie stellte die Online-Plattform Ouishare für kollaboratives Wirtschaften vor und konnte mit mit der Verbindlichkeit einer klassichen Kommune gar nichts anfangen. Sie habe im letzten Jahr in sechs Städten gelebt, organisiert alles digital und brauche die Freiheit, in letzter Minute alle Planungen auch wieder umkippen zu können. Cool, so jemand hatte ich Provinzler auch noch nicht in echt gesehen. Sie stellte heraus, digitales Community-Building braucht eine sehr hohe Kommunikationskompetenz, die Kommunikation ist viel aufwendiger als bei lokalen Gemeinschaften. Dennoch gilt auch hier: MPRL – „meet people in real live!“ sei die oberste Maxime, wenn man etwas bewegen will. Na, wenn Leute mit einem Erfahrungshorizont wie sie sich in 10 Jahren dochmal wo niederlassen. um Kinder großzuziehen und Kommunen zu gründen, dann können wir wohl einiges erwarten.
Zum Netlabel Panel schreib ich nichts, das soll wer anders machen, der´s gesehen hat.
Zum Konzertabend soviel: Vier sehr unterschiedliche Projekte, gute Stimmung. Es war eine Ehre, mal im Gebäude 9 spielen zu dürfen. Hier gibt es bei Von Korf einen kleinen Ausschnitt auf Video.

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