Konzertkritik: Female Power in der Bocksmauer

Gestern war Weltfrauentag. Und die neue Mitarbeiterin des Musikbüro Osnabrück hat zu diesem Anlass ein kleines, aber feines Konzert unter dem Motto „Female Power in der Bocksmauer“ organisiert. Eingeladen wurden vier Bands aus Osnabrück, Rheine und Münster, die weibliche Mitglieder haben.

Der Abend hat eine Vorgeschichte. Im Herbst 2018 fand wie jedes Jahr das „Rock in der Region“ Finale statt, und ich war seit langem mal wieder in der Jury. Es spielten vier Bands, und mir viel auf: es stehen nur Männer auf der Bühne. Dafür kann man den Veranstaltern, dem Musikbüro Osnabrück, vermutlich keinen Vorwurf machen. Bands bewerben sich, scheitern oder gewinnen in Vorentscheiden, die Gewinner*innen landen im Finale. In der Jury hatten wir immerhin einen Frauenanteil von ca. 17 %. Und von uns, der Jury aus, wurde die männliche Monokultur dann auch bemängelt.

Zu analysieren, woran das liegen mag, ist nicht Gegenstand dieses Artikels. Ich erwähne das nur, um zu sagen, das Finale hat etwas ins Rollen gebracht, eine größere Aufmerksamkeit und Sensibilität für das Thema. Und das gestrige Konzert ist eine der ersten Auswirkungen. Und die hat sich schonmal gelohnt.

Zu hören gab es drei Bands (Jetsun, Frantic Age, Elli) und ein Duo (Time Spent Apart), jeweils mit Sängerinnen, die teilweise auch Instrumente gespielt haben. Jetsun haben zudem noch eine Bassistin und sind damit quasi paritätisch besetzt. Vieles von dem, was den Abend schön machte, hatte mit einer Frauenquote nichts zu tun, und genauso muss es sein. Alle vier Bands waren richtig gut, und jede hatte einen eigenen Charakter. Die Zusammenstellung und Reihenfolge war gelungen, die Musiker*innen hatten Spass, das Publikum ist gut mitgegangen. Es gab keinerlei „Frauen-Bonus“: Keinen für Dilletantismus, Niedlichkeit, Bedienung des male gaze oder ähnliches. Es war einfach ein gelungenes Konzert.

Aber dennoch war etwas besonders, das schwerer in Worte zu fassen ist. Die Aura, die von der Bühne kam, war anders als bei einem reinen „Jungsabend“. Die durchgängige musikalische Arbeit von Gender-gemischten Teams auf der Bühne hat irgendetwas in der Grundstimmung des Abends verändert. Vielleicht einfach nur dafür gesorgt, dass keine Boys Club Atmosphäre aufgekommen ist, die auf Rockkonzerten so normal ist, dass sie niemandem mehr auffällt. Die Atmospähre gestern empfand ich dagegen als luftiger, aufgeräumter, und zugleich sehr kraftvoll. Das macht Lust auf mehr. Gebt mir bitte mehr von solchen Konzerten!

Edit: Zur systematischen Geringschätzung von Frauen in der Rockmusik hat Nadia Shehadeh aktuell bei den Blogrebellen einen sehr guten Artikel veröffentlicht. (Danke an Katja Brunkhorst für den Hinweis!)

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