Film produzieren, Hausdurchsuchung frei Haus. Wie geht das?

Und zum zweiten Mal in Folge zu Filmen aus Osnabrück, diesmal mit dem unangenehmen Fall einer Hausdurchsuchung.

Zwei Osnabrücker Studenten haben einen Film über das Abschiebelager in Bramsche – Hesepe produziert. Titel: Der Lagerkomplex. Er läuft am Freitag, den 13.10.2006 um 15.00 Uhr in der Lagerhalle im Rahmen des Unabhängigen Filmfests Osnabrück.

Der Film beschreibt auf recht eindringliche Weise die Lebensbedingungen im Lager und die Strategie der Verwaltung, die Insassen durch permanenten psychischen Druck zu einer „freiwilligen Ausreise“ zu bewegen.

Der Film ist ziemlich gut, der Grund für die jetzige Hausdurchsuchung erscheint mir hingegen recht hanebüchen. Der Filmemacher soll eine Flugblatt – Verteilaktion gefilmt haben. Auf dem Flugblatt wird eine Mitarbeiterin des Lagers angeblich beleidigt. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft den Filmemacher wegen Beleidigung angezeigt, seine Wohnung durchsucht, Computer und Datenträger beschlagnahmt und somit alles mitgenommen, woran der Student in den letzten Jahren gearbeitet hat.

Der Filmemacher sagt, er habe Zeugen, daß er zum fraglichen Zeitpunkt ganz woanders war. Aber das ist überhaupt nicht der Punkt. Der Punkt ist: Ist der Anlass angemessen? Ich dachte immer, unter Flugblättern steht „v.i.S.d.P.“, verantwortlich im Sinne des Preserechts, damit man den Verfasser im Falle einer Beleidigung belangen kann. Ich wusste nicht, daß man stattdessen den Beobachter verklagt. Werde ich demnächst als Verursacher angezeigt, wenn ich einen Verkehrsunfall beobachte? Oder nur, wenn ich eine Videokamera dabeihabe? Oder nur dann, wenn aus dem Material deutlich wird, daß die Behörden vergessen haben, eine Großveranstaltung ordnungsgemäß abzusperren, und es deshalb zu dem Unfall kam?

Und was ist mit all den Leuten, die beruflich bedingt den ganzen Tag Bilder von Überwachungskameras anschauen? Werden sie beim nächsten Anschlag als Verantwortliche belangt? Gibt es dagegen eine Berufseinnahmenausfallversicherung?

Ich bin etwas schockiert über diesen Fall von möglicher Repression und gespannt darauf, ob die Medien sich des Falls annehmen oder ob er unter dem Teppich bleibt. Der Film jedenfalls zeigt scheinbar Wirkung, sonst wäre es wohl nicht zu dieser etwas nervösen Aktion gekommen.

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4 Antworten zu Film produzieren, Hausdurchsuchung frei Haus. Wie geht das?

  1. Jens sagt:

    Die Methoden unserer Staatsschutzbehörden sind ja immer wieder ein beliebtes Thema. Dazu ein Zitat aus der Frankfurter Rundschau von heute (11.10.06) zur Festnahme eines el-kaida Botschaften Verbreiters:
    „Auf die Spur kamen ihm die Behörden bei einer vorbeugenden Telefonüberwachung, die das Bundesverfassungsgericht kurz darauf verbot“
    Kein Kommentar meinerseits.

  2. holger sagt:

    Auf Seite 3 wird dann auch gleich die entscheidende Frage gestellt: Hat der Mann konspirativ Botschaften erhalten und zur Verbreitung ins Netz gestellt, oder hat er nur im Netz gesammelt und weiterverbreitet, was eh frei verfügbar ist? Osama´s Videobotschaften sind z.B. chronologisch von wikipedia aus verlinkt.

    …was heißt in diesem Zusammenhang „weiterverbreiten“? links in einem blog z.B.?

    Der Mann wohnt übrigens in Georgsmarienhütte.

  3. Jens sagt:

    Probieren wir’s doch gleich mal aus:
    http://en.wikipedia.org/wiki/Videos_of_Osama_bin_Laden
    🙂
    Ich habe mich allerdings nicht wirklich ausführlich mit dieser Seite beschäftigt. Soweit ich es feststellen konnte, sind dort keine Videos verlinkt. Ganz so einfach ist es wohl doch nicht.

  4. holger sagt:

    Auf dieser Seite http://en.wikipedia.org/wiki/2004_bin_Laden_video findest Du unter „sources“ einen link zu Al Jazeera, wo Du das Video ansehen kannst. Es gibt auf wikipedia zu jedem einzelnen Video eine Seite.

    …aber Du hast Recht, ich habe das nicht überprüft. Der Satz war Teil meines Zitats aus der Frankfurter Rundschau.

    Ich will deshalb enden mit einem Zauberspruch der Zeitungsverleger: „Wachsamer Rezipient, weiche von mir!“

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