11.02.2021, Radio Artland, Manuskript der Radiocast Sendung
Hallo, mein Name ist Holger Schwetter und ihr hört die zweite Folge meines Radiocasts Bits and Pieces hier auf Radio Artland am 11. Februar 2021.
Heute möchte ich etwas aus meiner laufenden Forschung erzählen und viel Musik spielen, die damit zusammenhängt.
Ich bin Musikwissenschaftler und mein Schwerpunkt ist die Soziologie und die Geschichte der populären Musik. Populäre Musik, das ist ein analytischer Begriff, der Versuch, all das zu beschreiben, worum es auch hier auf Radio Artland geht, ohne sich in Aufzählungen von Genres zu verheddern. Popularmusik ist ein anderer Begriff, der das Gleiche versucht. Gemeint ist , grob gesagt, all die Musik, die über Massenmedien verbreitet und über Produkte am Musikmarkt angeboten wird. Die sich also verkaufen muss, die über Popularität erfolgreich wird – und die nicht Klassik ist. Spitzfindige Denkerinnen* könnten nun anmerken, Moment, aber auch klassische Musik wird doch heute als Produkt auf Medienmärkten angeboten. Also, warum ist sie dann nicht auch populäre Musik. Das wollen wir hier und heute nicht diskutieren, auch wenn an dem Gedanken etwas dran ist.
Heute geht es um Pop und Wissenschaft? Warum Wissenschaft? In Bezug auf populäre Musik sind wir doch alle Experten. Aber nur wenigen gelingt es, dafür bezahlt zu werden. Mir ist das bisher zumindest teilweise gelungen. Die Wissenschaft bemüht sich um Analyse und um Erkenntnisse, die über das Subjektive hinausreichen und objektiv nachvollziehbar sind. Das finde ich interessant, da arbeite ich gerne mit. Sie hat mich mit einem soliden Set an Methoden ausgestattet, wozu auch gehört, zu bemerken, wenn es für die Beantwortung einer Frage noch keine Methoden gibt. Dazu später mehr.
Heute will ich euch etwas über eine Plattensammlung erzählen, mit der ich mich seit einiger Zeit beschäftige. Und an dem Beispiel dieser Sammlung herauskriegen, was einem so eine Sammlung überhaupt erzählen kann und welche Fragen sich ausgehend von so einer Sammlung stellen lassen. Die Sammlung selbst, also das konkrete Material der Schallplatten soll dabei als Ausgangspunkt dienen, um Fäden in alle möglichen Richtungen zu verfolgen, die sich dabei entdecken lassen. Das Vorgehen hat etwas detektivisches, und wir werden viel über offene Fragen, Vermutungen und Hypothesen erfahren, die sich unterwegs ergeben. Und ich werde in dieser Sendung auch bewusst etwas spielerisch und spekulativ vorgehen, besonders was die Auswahl der Stücke betrifft, die wir hören werden. Die ganze Sendung wirft ein Schlaglicht, ich stecke mitten in der Arbeit und viele Fäden sind noch nicht bis zu ihrem Ende verfolgt. Manche werden es vielleicht auch nie.
Nach dieser langen Vorrede ist es höchste Zeit für Musik. Alles was wir hören, ist aus der Sammlung. Als erstes Stück habe ich ausgewählt:
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1) Ohio Players – Fire (1974) Einfach ein schönes Funk Stück.
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Um wen oder was geht jetzt aber? Es geht um die populäre Musik in der Vinyl Schallplattensammlung einer Musikerin. Einer US-amerikanischen Oboisten, die vor allem Barockmusik und andere alte Musik gespielt hat. Gesammelt hat sie eben diese Musik, in der Sammlung sind das ca. 800 Schallplatten, aber sie hat auch populäre Musik gesammelt, so um die 350 Schallplatten. Die Klassikplatten habe ich an das staatliche Institut für Musikforschung vermittelt, das ist direkt neben der Philharmonie. Die haben eine große phonografische Sammlung und sind über die Schenkung sehr glücklich. Mit dem Teil der populären Musik beschäftige ich mich.
Die Sammlung habe ich über den Erben bekommen und jetzt, wo ich öffentlich darüber sprechen will, merke ich, ich zögere, hier Namen zu nennen. Im wissenschaftlichen Kontext, auf zwei Kolloquien, hatte ich da bisher keine Bedenken. Aber hier so, im Internet? Die Sammlerin ist keine weithin bekannte öffentliche Persönlichkeit, verletzt so eine Nennung nicht ihre Privatsphäre? Andererseits, ich erzähle nur Privates, was mir von ihrem Umfeld in Interviews erzählt wurde, über grundlegende Zusammenhänge ihrer Biografie. Und alles steht im Zusammenhang mit der Sammlung. Andererseits, was gewinnen wir durch die Namensnennung? Nun, die Sammlerin spielt auf zwei der Schallplatten in der Sammlung mit. Und das ist ein zentraler Knotenpunkt von Sammlung und Biografie. Er lässt sich ohne Namensnennung nicht erzählen. Zudem tritt die Sammlerin an diesem Punkt selbst in die Öffentlichkeit. Das ist also ein gutes Argument für eine Namensnennung.
Wenn ich ihren Namen nun nenne, heisst das auf der anderen Seite, dass ich das Biografische auf das öffentliche und ihr Agieren in Öffentlichkeiten beschränke. Es mag wie Erbsenzählerei klingen, aber forschungsethisch ist der Schutz der Persönlichkeit ein hohes Gut.
Unter diesen Bedingungen denke ich, im Verlauf kann ich ihre Identität da benennen, wo es nötig und sinnvoll ist. Wie ihr wisst, handelt es sich um die Schallplatten einer Sammlerin. Ihr zu Ehren spiele ich als nächstes einen tollen Tanzsong, den ich in der Sammlung gefunden habe.
Isley Brothers – That Lady aus dem Jahr 1973, in der Sammlung auf einer Isley Brothers Compilation LP namens „Forever Gold“ aus dem Jahr 1977.
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2) Isley Brothers – That Lady
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2017 treffe ich auf einer Tagung einen Musiker, der zur Zeit am anderen Ende der Welt lehrt, und er fragt mich, ob ich ihm helfen kann, eine Schallplattensammlung in gute Hände zu geben. Es sei eine Sammlung einer Oboisten, die in der kalifornischen Lesbenszene der 1970er Jahre engagiert war und deren Underground Musik gesammelt hat. Da wurde ich hellhörig. Underground Musik aus Kalifornien aus den 1970er Jahren, aus der schwul-lesbischen oder wie man heute sagt LGBTQ+ oder aus queeren Szene? Spannend? Ich stellte mir ganz schräge Musik vor, avantgardistisch-extrovertiert und super obskur. Ich hatte also keine Ahnung, was mich erwarten würde. Als ich dann, zwei Jahre später in einem Keller in Berlin stehe, bin ich erst einmal enttäuscht: Ich sehe viel bekannte Musik der 60er bis 80er Jahre, dazu die Beatles, Bob Dylan, ein bißchen Blues und Jazz. Insgesamt ein hoher Anteil an Sängerinnen. Underground sehe ich nicht. Dennoch beschließe ich, mich mit der Sammlung zu befassen. Denn ich bin angefixt von der Gelegenheit, eine vollständige Schallplattensammlung aus einer popmusikalisch spannenden Zeit anzusehen und herauszufinden, was sich aus solch einer Sammlung herauslesen lässt. Schon in den Umzugskartons fällt mir etwas merkwürdiges auf: Die Platten wurden wohl von einem Umzugsunternehmen in Kisten gepackt (ein solcher Firmenname steht auf den Kartons). Aber die alte Ordnung im Regal ist teilweise noch erkennbar, in Blöcken zu 10 bis ca 30 Platten (das entspricht der Menge Schallplatten, die man en Block fassen kann, wenn man sie aus einem Regal nimmt):
Im Bereich Pop stehen Musiker und Musikerinnen nach Geschlecht getrennt, jeweils alphabetisch von Z bis A. Wenn man sie so ins Regal stellt, ergibt sich von den Rücken her gesehen eine Ordnung A bis Z von links nach rechts. Das finde ich schon einmal bemerkenswert. Von einer nach Geschlechtern sortierten Sammlung habe ich noch nie gehört.
Auch bei den Klassikplatten steht ein kleiner Block Komponistinnen separat.
In weiteren erkennbaren Blöcken befinden sich Jazzplatten und Bluesplatten, sowie ethnografische Schallplatten mit Aufnahmen aus verschiedenen Regionen der Welt. Die Schallplatten sind überwiegend in einem sehr guten Zustand. Manche Schallplatten sind noch original in Folie verschweißt. Offenbar waren die Schallplatten der Sammlerin sehr wichtig, oder hat sie sie nie gehört? Letzteres macht keinen Sinn, warum kauft jemand hunderte Schallplatten und nimmt sie sogar mit nach Europa, wenn sie keine Bedeutung haben?
Als nächsten Schritt der Annäherung habe ich ein Lied gewählt, das einige zentrale Aspekte der Sammlung berührt. Und rein spekulativ stelle ich mir vor, dass seine Energie auch etwas mit der Persönlichkeit der Sammlerin zu tun haben könnte. Der Song heisst „Wild Women don´t get the Blues“ und stammt von der 1981 erschienene Live-LP Call it Jazz des nur aus Musikerinnen bestehenden Quintett Alive!
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3) Alive! – Wild Women don´t get the Blues
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„Wild Women Don´t Get The Blues“ – In diesem Lied macht sich die Sängerin über Frauen lustig, die zuhause sitzen, auf ihre Männer warten und dabei unglücklich werden. Der Sängerin kann das nicht passieren. Sie zieht lieber selbst um die Häuser, sie ist tough genug, um mit jedem Idioten klarzukommen.
Die Sammlerin wurde 1947 in Chicago, USA, geboren. Dort wuchs sie auf und ging als junge Erwachsene nach San Francisco. Sie bekam bereits als Kind Unterricht an der Oboe. Über ihre Ausbildung in San Francisco ist mir nichts bekannt. Ein Interviewpartner sagt: „Dort war sie in der LGBT Community aktiv. Ein Jahr hat sie mit dem Motorrad die ‚Dykes on Bikes‘ geleitet und damit den großen Umzug zur Gay Pride Parade angeführt.“ 1989 zieht sie nach Berlin. Sie will in Europa ihre Ausbildung an der Oboe und in Bezug auf alte Musik vertiefen. Ab 1990 studiert sie Barockoboe in Hilversum. Umzug nach Amsterdam, wo sie bis zu ihrem Tod 2016 ihren Hauptwohnsitz hat.
Im Internet gibt es kaum Informationen über sie. Was ich erfahren habe, habe ich aus zwei Interviews mit dem Erben und einem Familienmitglied. Das führt mich zu meiner ersten These: Die Sammlerin war keine bekannte Musikerin. Aber sie war Musikerin und Musikliebhaberin.
Und sie war, das war nach Aussage beider Interviews, in der feministischen und queeren Szene Kaliforniens aktiv. Der Kampf für die Rechte der LGBT Community war ihr ein zentrales Anliegen. Ihre eigene, gleichgeschlechtliche Orientierung hat sie offen gelebt.
„Wild Women Don´t Get The Blues“ – der frenetische Jubel des Publikums in der Great American Music Hall, San Francisco, den wir gerade gehört haben, verweist auf eine lebendige Szene, die diese Musik gefeiert hat.
Das Album Call It Jazz ist er schienen auf Redwood Records. Redwood Records wurde gegründet von Holly Near, es ist die Erste von einer Musikerin gegründete Plattenfirma. Holly Near wiederum gilt als eine der zentralen Musikerpersönlichkeiten der Women´s Music.
Women´s Music ist ein feststehender Begriff für die Musik der feministischen Szene der USA in den 1970er und 1980er Jahren.
Die Musikerinnen der Women´s Music gründeten Bands, Plattenfirmen und Vertriebe. Diese ersten von Frauen gegründeten Unternehmen am US Musikmarkt wie das Label Olivia Records waren zum Teil als Kollektive organisiert. Die Produktion lag komplett in den Händen von Frauen. Ein guter Teil der Musikerinnen war lesbisch. Es gibt anscheinend große Überschneidungen zwischen feministischem Diskurs und lesbischer Szene in dieser Zeit.
Alle Schlüsselwerke dieser Szene, ca. 30 Schallplatten, befinden sich in der Sammlung. Viele Alben sind eingeschweißt. Sie standen zusammen mit der Musik anderer Sängerinnen und Musikerinnen im Regal. In der wissenschaftlichen Literatur heisst es, die Musikerinnen der Women´s Music hätten nur für eine kleine, klar abgegrenzte Zielgruppe produziert. Für die Sammlerin waren diese Schallplatten aber Teil eines größeren Zusammenhangs: populäre Musik von Frauen. Sie hatte dafür kein getrenntes Fach. Wie diese Zusammenhänge genauer aussehen, damit werden wir uns später in der Sendung beschäftigen.
Zunächst möchte ich ein Stück der erfolgreichsten Veröffentlichung der Women´s Music spielen. Das Album „The Changer and the Changed“ von Cris Williamson, veröffentlicht auf Olivia Records 1975. Das Album hat über 100.000 Kopien verkauft und war damit die erfolgreichste unabhängige Produktion in den USA der 70er Jahre. Wir hören jetzt das erste Stück, Waterfall.
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4) Cris Williamson – Waterfall
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Der Song und das Album ist eher der Folk Musik zuzuordnen, auch die Cover Gestaltung verweist darauf: Die Musikerin steht im Blaumann in einer Wüstenlandschaft, das Cover ist in erdigen Farben gehalten. Inhaltlich geht es um persönliches Wachstum, und das in einer so allgemeinen Form, dass der Song vielfältig anschlussfähig ist. Das ist ja eines der grundlegenden Merkmale von Popsongs: inhaltlich so offen zu sein, dass viele, ganz verschiedene Menschen in unterschiedlichsten Situationen daran anknüpfen können.
Als nächstes Beispiel der Women´s Music der 1970er Jahre spiele ich nun einen der seltener vorhandenen, expliziteren Texte.
Teresa Trull – I´d like to make love with you von 1977. Ein offen lesbisches Liebeslied von dem Album mit dem programmatischen Titel „The Ways A Woman Can Be“, ebenfalls erschienen auf Olivia Records.
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5) Teresa Trull – I´d like to make love with you
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Eigentlich allen Alben sind Textsheets beigelegt. Auf dem in diesem Album ist ein Foto zu sehen mit der Bildunterschrift „The Olivia Records Collective“.
Olivia Records ist als Kollektiv von Musikerinnen gegründet worden. Der Vertrieb lief vor allem über Frauenbuchläden als Teil der Infrastruktur der alternativen und feministischen Szene. Das Ziel von Olivia war selbstbestimmt zu produzieren an einem Markt, der ansonsten von Männern dominiert wurde.
Zu Olivia gehörten auch afro-amerikanische Musikerinnen wie Mary Watkins. Mary Watkins ist Komponistin, Pianistin, Arrangeurein und Produzentin und auch heute, mit 83 Jahren noch musikalisch aktiv.
Wir hören jetzt ein InstrumentalStück von ihrem 1978er Album „Something Moving“: Witches Revenge.
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6) Mary Watkins – Witches Revenge
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Das ist stilistisch Jazz-Rock. Allmählich bekommen wir einen Eindruck von der stilistischen Bandbreite der Women´s Music. Blues, Jazz, Folk, Soul – die Musikerin haben unterschiedlichste stilistische Vorlieben.
Auf zwei Produktionen aus den 1980er Jahren, die der Women´s Music zugeordnet werden können, spielt die Sammlerin bei jeweils einem Stück Oboe.
Zum einen auf der LP Night Rainbow von Gayle Marie von 1982, die auf dem Label Gayleo Music in San Francisco herausgebracht und vertrieben wurde von GALAXIA Women Enterprises in Massachusetts. Shelley Mesirow spielt auf dem Song Rainbow At Night mit.
Zum Zweiten auf der LP Finally Real von Silvia Kohan, 1984, Dancing Cat Records. Diese Platte befindet sich zweimal in Folie verschlossen und einmal geöffnet mit Werbeaufkleber auf dem Frontcover und der Prägung „Promotional Copy Not for Sale“ auf dem Backcover. Handelt es sich bei allen Kopien um Belegexemplare? In der Online Datenbank für Schallplatten discogs findet sich nur diese eine Veröffentlichung von Silvia Kohan. Auf ihrem Youtube Kanal heisst es: „Silvia Kohan (1948-2003). Jewish-Argentinian-Lesbian blues singer popular on the West Coast of USA, particularly Venice, Ca. and San Francisco-Oakland, Ca. A life long performer. Active in [… the] lesbian-feminist music in the 1970’s-2000’s.“ Shelley Mesirow spielt Oboe auf Taking my Baby up Town, die Strophen erzählen von Diskrimierungserfahrungen: Beschimpfungen im Park, wenn die Sängerin mit ihrer Liebsten im Arm läuft; starrende Menschen, wenn sie sich küssen.
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7) Silvia Kohan – Taking my baby uptown
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Stilistisch Jazz-Pop (?) und ein Mainstream orientierter Sound.
Barock Anleihen im Soloteil (Menuett, Flöte und Oboe umspielen sich)
Der Text ist offen gestaltet: es geht um Disriminierung, aber was hier diskriminiert wird, wird nicht explizit gesagt. Dadurch wird das Lied anschlussfähig für verschiedenste Erfahrungen. Ein entschlossener Schlussakkord unterstreicht den starken Willen des lyrischen Ichs. Nur durch den Kontext lässt sich schließen, welche Art von Diskriminierung gemeint ist.
Mary Watkins hat beide Alben produziert. Am kommenden Samstag bin ich mit ihr verabredet. Sie hat sich bereit erklärt, mit mir über die Musikerinnen Szene in San Franzisko der 70er und 80er Jahre zu sprechen. Denn das ist einer der Stränge, die sich aus den Recherchen ergeben, die die Sammlung anstößt: Wie hingen Musikszene und Aktivismus zusammen? Ich bin schon ganz gespannt auf das Gespräch.
Manche Album , z.B. auch „The Changer and The Changed“ waren noch original verschweißt. Es ist möglich, dass die Sammlerin manche Veröffentlichungen auf Vollständigkeit hin gesammelt hat, weil es für eine bestimmte Szene wichtige Veröffentlichungen waren. Bei The Changer wird das besonders deutlich: es handelt sich um eine spätere, neu gemischte Auflage der Platte.
These: Shelley Mesirow war Teil der Bay Area Szene und kauft manche Alben, weil sie dazu gehören, um die Sammlung zu vervollständigen und nicht, weil sie besonderer Fan jeder Veröffentlichung ist. Und die zweite These: Sie spielt selten mit, weil Oboe im Pop nicht gebraucht wird und sie selbst sich künstlerisch auf die Alte Musik konzentriert.
Zur Women´s Music ist mein Zwischenfazit:
• Women’s Music bringt eigenständige Netzwerke und Institutionen am Musikmarkt hervor.
• Es gibt auf den ersten Blick keine eigenständige Ästhetik, anhand derer die Produktionen sofort als Women’s Music erkennbar wären.
• Die Ästhetik bevorzugt weiche Sounds und klassische Popstrukturen. Sie bezieht sich auf den Mainstream des US Pop mit typischen Stilmerkmalen aus Jazz, Blues, Pop, Funks, Soul, Folk.
• These: Die Ästhetik der Women’s Music will sich nicht abgrenzen. Im Gegenteil, sie fordert Zugehörigkeit und Normalität ein. Sie will anschlussfähig sein.
Wie ist das heute? In der Innen Wahrnehmung der Szene spielt das lesbische Netzwerk von Musikerinnen eine wichtige Rolle. In den Darstellungen auf wikipedia fällt zu diesem Thema kein Wort. Wird hier ein wichtiger Aspekt in der Kanonbildung der Geschichtsschreibung ausgeblendet? Auffällig ist auch, dass es auf discogs selbst wenig bis keine Informationen zu den Musikerinnen gibt (siehe Alive!, Mary Watkins, …). Hingegen gibt es zu vielen Musikern Kurzdarstellungen. Wird hier ein Bias durch strukturelle Männerherrschaft sichtbar, da solche Datenbanken vor allem von weißen, heterosexuellen Männern befüllt werden? Lassen sie Informationen unter den Tisch fallen? Interessieren sie sich einfach nicht dafür? Auch sind alle diese Schallplatten, obwohl viele in kleineren Auflagen erschienen, nicht viel wert. Auch das Schallplatten sammeln ist männlich dominiert. Diese Schallplatten besitzen augenscheinlich keinen hohen Status unter Sammlern. Die Webseite Queer Music Heritage stellt solchen Auslassungen eine dezidierte Geschichtsschreibung von „LGBT music“ gegenüber. Dort wird vieles ganz anders dargestellt, innerhalb der LGBT Szene haben viele der Musikerinnen und Songs einen ganz anderen Stellenwert, als die Darstellungen auf wikipedia vermuten lassen. Insofern kann man schon von einer Szene sprechen, die bis heute abgeschlossen und randständig ist, obwohl sie musikalisch sehr anschlussfähig ist. Wie diese Anschlüsse in den 1970er und 1980er Jahren funktioniert haben, dazu hören wir später mehr.
Doch nun ist es erstmal Zeit für einen Wechsel der Perspektive. Welche anderen Sammlungsstrategien lassen sich in der Sammlung finden? Die biografische Perspektive ist viel breiter. Die Schallplatten wurden von den späten 1950er bis in die frühen 1990er Jahre veröffentlicht.
Es sind kaum Singles in der Sammlung. Dafür einige später veröffentlichte Best Of Alben von Musik der 1960er Jahre, z.B. von Frankie Valli and the Four Seasons. Die Schallplatten sehen aus wie nie gespielt. Kein Staub, keine Kratzer. Wurden Platten wie diese aus nostalgischen Gründen gekauft, aber nie wirklich gehört? Von dieser Platte hören wir nun den Song „Alone“.
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8) Frankie Valli and the Four Seasons – Alone
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Nach diesem etwas albernen, spekulativen Einstieg in die Jugend der Sammlerin schauen wir nun mal, was wir an Schallplatten aus dieser Zeit haben.
Die frühesten Schallplatten stammen aus den späten 1950er Jahren. Von Jacques Brel befindet sich eine Sequenz von 5 Schallplatten in der Sammlung, die zwischen 1958 und 1964 veröffentlicht wurden. Sie tragen teilweise einen Namensstempel auf der Rückseite „Shelley M. Mesirow“. Ein Jugendschwarm? 1958 war sie 11 Jahre alt. Bei den Innenhüllen dieser Schallplatten sind immer drei Ecken ordentlich, wie absichtlich, eingeknickt. Diese Schallplatten sind in einem sehr guten Zustand, viel besser als viele der später gekauften Schallplatten. Sie sind an den Ecken überhaupt nicht abgestossen. Standen sie viele Jahre im Regal, ohne benutzt zu werden? Das auch das Vinyl in gutem Zustand ist, deutet darauf hin, dass SM schon in jungem Alter sehr sorgsam mit ihren Schallplatten umgegangen ist. Oder wurden diese Schallplatten später gebraucht gekauft? Für einen Neukauf spricht bei diesem und einigen anderen Künstlern, dass Pressungen in den Sammlung sind, die in einigen aufeinander folgenden Jahren erschienen sind, danach gibt es nichts weiter von den Künstler*innen.
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9) Jaqcues Brel – Les Bigotes
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Es gibt zwei Künstler aus den 1960er Jahren, deren LPs lückenlos jeweils in der ersten US Pressung in der Sammlung sind. Hier ist die Sammlerin, so lässt sich vermuten, losgegangen, um die Schallplatten zu kaufen. Hier, so scheint es naheliegend, war sie Fan. Es handelt sich um die Beatles und um Bob Dylan. Auch auf einigen Beatles Platten gibt es den Namensstempel der Sammlerin, auf der frühesten Beatles LP „Meet The Beatles“ ist handschriftlich ist auf der Rückseite notiert, wer die Lieder singt. Was hiess es damals für Mädchen und junge Frauen, Beatles Fan zu sein? Wir alle kennen die zum Klischee gewordenen Horden kreischender Mädchen, die in der Mitte der 60er Jahre überall dort auftauchten, wo die Beatles vor die Öffentlichkeit traten.
Das erst vor kurzem erschienene Buch „Glitter Up The Dark“ von Sasha Geffen enthält zu dieser Frage ein paar interessante Thesen. Sasha Geffen widmet sich in ihrem Buch der Frage, wie Popmusik seit den 1950er Jahren das binäre Gender Verständnis aufgebrochen und unterwandert hat. In ihrem Kapitel zu den Beatles schreibt sie, dass man die Band nur zusammen mit diesem Fan Phänomen verstehen kann. Die Beatles, das wissen wir, waren die erste Boygroup. Sie boten nicht nur vier verschiedene Jungs zum liebhaben, sondern diese Jungs zeigten ein anderes Bild von Männlichkeit. Die anderen männlichen Stars dieser Zeit waren Solo-Interpreten, oft mit einer backing band. Sie waren alpha-Tiere. Die Beatles zeigen sich anders. Sie sind ein Team, gleich berechtigt, und äffen alpha Spiele höchstens ironisch nach. Ihre Frisuren übertraten die Grenze des Hemdkragens. Sie waren männlich, aber nicht bereit, sich der für Männer geltenden Disziplin zu unterwerfen. Sie öffneten ein neues Feld und auf diesem gaben sie den Mädchen eine neue Rolle. In den Texten der frühen Beatles Songs spielen Frauen oft eine aktive Rolle, und die Beatles eine eher zurückgenommene. „I want to hold your hand“, „I saw her standing there“ „I wanna be your man“ „Please please me“. Sie singen von ihrem Begehren eher in einer passiven Rolle, in der sonst die jungen Frauen gefangen sind. Für sie ziemt es sich nicht, die Männer, die sie begehren, anzusprechen. Die Zurückhaltung der Beatles öffnet ihnen den Raum für eine aktivere Rolle. Und sie geben den Männern die Möglichkeit, die starren Vorschriften des Mann seins außer Kraft zu setzen, in dem sie nicht mehr zum Frisör gehen.
Sasha Geffen weist darauf hin, dass die Beatles viele Songs von Girl Groups gecovert haben. Auf dem ersten Album Please please me befinden sich alleine drei. Bei den Girl Groups der 60er Jahre verschmelzen die Stimmen, während sie oft aus einer passiven, sehnsüchtigen Position über den Angebeteten singen. Die Beatles übernehmen den Gesangsstil und die passive Position. Das ist auch eine Art, den Mädchen, die ja die Originale kannten, zu sagen: wir sehen euch, wir verstehen euch. uns geht es genauso.
Von dem zweiten Album „With The Beatles“, das in den USA einfach „The Beatles second album“ hiess, hören wir jetzt „Please Mr. Postman“, eine Coverversion des Hits der Girl Group The Marvelettes.
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10) The Beatles – Mr. Postman
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Ich denke, es ist jetzt Zeit für ein Zwischenfazit. Die Sammlung hat uns bisher auf zwei verschiedene Pfade geführt. Zu dem heute kaum bekannten Genre der Women´s Music und zu der Frage, wie junge Mädchen in den 1960er Jahren die Beatles wahrgenommen haben. Die Sammlung kann also ein Ausgangspunkt für eine andere Version der Popmusikgeschichte werden. Ich vermute jetzt, jede Sammlung kann das. Manche führt uns in Ecken, in die wir sonst nie geschaut hätten. Sie machen uns auf blinde Flecken in unserer eigenen Wahrnehmung aufmerksam. Als weißer, heterosexueller Mann hatte ich mich bisher mit der im Kanon der Popmusik auf der Ebene der TV Dokus üblichen Darstellung zu den Fans der Beatles zufriedengestellt, über die kreischenden Teenager schüttelt man dort belustigt den Kopf. Jetzt weiß ich, ja genau: mann schüttelt den Kopf. Das ist nämlich die Perspektive der Männer, die über dieses Phänomen berichtet und die auch die Popmusik Geschichte geschrieben haben. Die Sammlung von Shelley Mesirow macht mir deutlich: ich gibt noch so viele andere Arten, die Geschichte der Popmusik zu erzählen.
Das wird auch durch die Leerstellen der Sammlung sichtbar: All das, was heute im Kanon der Rockmusik als wichtig und revolutionär galt, fehlt größtenteils in dieser Sammlung. Die Sammlerin lebte in San Francisco, einem Hot Spot der Hippie Bewegung. Aber die Doors sind nicht in Sammlung. Ebenso so wenig Jimi Hendrix, Janis Joplin, Pink Floyd, Led Zeppelin, die Beach Boys. Die progressive Rockmusik ist bis auf ein paar vereinzelte Aufnahmen nicht vertreten: eine Single von Jefferson Airplane, eine LP von den Rolling Stones. Warum ist das so?
Ich kann nicht wissen, ob die Sammlerin zwischendurch auch Schallplatten verkauft hat. Sie zieht Ende der 1980er Jahre nach Europa. Genau in der Zeit, in der sie aufhört, Schallplatten zu kaufen und auf das neue Medium, die CD umsteigt. Viele Sammler*innen haben damals ihre Schallplatten verkauft und ihre Lieblingsmusik auf CD neu gekauft, wegen der besseren Klangqualität. Diese Sammlerin nicht. Sie packt ihre Schallplatten ein und schifft sie nach Europa. Das gibt uns einen Hinweis auf eine mögliche intensive Verbindung nicht nur zu der Musik, sondern auch zu diesen Schallplatten als Artefakten. Als Gegenstände, in denen Erinnerungen stecken. Wenn wir auf das schauen, was an Musik heute für die späten 1960er Jahre als besonders relevant gilt, können wir sagen, in der Sammlung, die sie über den Atlantik nach Europa geschafft hat und dann kaum mehr ergänzte, ist davon wenig vertreten.
War die Sammlerin nicht an der Hippie Kultur interessiert? War diese Musik für sie nicht interessant? Ein Buch, dass ich bereits in der letzen Sendung erwähnt habe, gibt uns einen Hinweis. Barbara Rotkohl schreibt in den späten 1970er Jahren in ihrem Buch Rock-Frauen über die Musik, die hier fehlt: Rockmusik gehörte den Jungs. Es war nicht die Musik der Mädchen. Die waren höchstens mit dabei, wenn ihre Freunde sich damit beschäftigten. Mädchen hörten die aktuelle Chartsmusik. Galt das auch für unsere Sammlerin? War das auch in ihrer Welt Musik für von Männern für Männer?
In welche Richtung ging unsere Sammlerin? Da gibt es einige Stränge, die wir verfolgen können. Es gibt eine kleine Jazz Abteilung und darin zwei Schallplatten des Organisten Jimmy Smith. Eine davon ist eine Sammlung mit Titeln aus Film Soundtracks. Weil, wie man mir erzählte, die Sammlerin eine grüße Katzen Liebhaberin war, spiele ich nun das Stück „The Cat“ aus dem Film „The Joy House“. Es ist glaube ich die einzige Platte in der Sammlung mit einem Katzenmotiv auf dem Cover. Schallplatten mit Katzenmotiven hat sie definitiv nicht gesammelt.
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11) Jimmy Smith – The Cat
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Wie ich vorhin bereits erwähnte, standen die Schallplatten, die im Weitesten Sinne Pop sind, nach Geschlecht der Musiker*innen getrennt im Regal. Bemerkenswert ist auch das Zahlenverhältnis: 108 Schallplatten von Musikern stehen 92 Schallplatten von Musikerinnen gegenüber, wenn man die women´s music mitzählt., die ja zusammen mit den anderen Musikerinnen im Regal stand. Das Verhältnis ist also fast ausgelichen, und das ist indofern bemerkenswert, als dass viel mehr Musik von Musikern veröffentlicht wird. Wenn man sich nur mal als Beispiel die Billboard Top 30 der USA ansieht, also die 30 am meisten verkauften Hitsingles, dann sind dort 70 % Musiker und 30 % Musikerinnen vertreten. In meiner persönlichen Sammlung sieht es sicherlich ähnlich aus. Ohne das ich nachgezählt habe, würde ich schätzen, dass meine Sammlerstrategien zu einer starken Betonung von Musikern geführt haben. Vielleicht ist das Verhältnis sogar eher 80/20 oder noch krasser. Dabei bin ich als weißer Cis-Mann, sprich Hetero-Normalo in dem Wasser der Musikkulturen geschwommen, ohne mich um Genderthemen zu kümmern. Mein sammeln fühlte sich natürlich an. Ich habe gekauft, was ich gut fand und / oder zum auflegen brauchen konnte. Es würde sich wirklich mal lohnen, das durchzuzählen, vielleicht spiegelt das die Marktanteile von Musikern und Musikerinnen in bestimmten Genres, wie sie sich an von Männern dominierten Musikmärkten ergeben.
Unsere Sammlerin hier hat anders gesammelt. Es war ich wichtig, Musik von Musikerinnen zu sammeln.
Ein Schwerpunkt liegt auf Soul Jazz Pop Sängerinnen mit ziemlich softer Musik. Zum Bsp. Aretha Franklin oder Angela Bofill. Mit sechs Alben bildet die britische Jazz-Pop Sängerin Cleo Laine einen Schwerpunkt.
Es geht auch in Richtung Funk. Rufus featuring Chaka Khan, Rags To Rufus (1974), es sind sehr bekannte Sängerinnen vertreten wie Joan Armatrading mit sechs Alben von 1972 bis 1981 oder K.D. Lang mit 4 Alben. Andere wie Madonna, Joni Mitchell oder Cindy Lauper sind jeweils nur mit einem Album dabei.
Dazu gibt es spannende Musik von nicht so bekannten Musikerinnen. Ellen McIlwaine, eine spannende amerikanische Sängerin und Slide-Gitarristin, ist mit einem Album vertreten. Eine andere eher unbekannte Sängerin ist die Australierin Margret Roadknight, die sehr kritische Lieder über den Alltag in Australien singt (z.B. der Song Girls In Our Town). Auf ihrem Album Living In The Land Of Oz ist auch der Song Masculine Women, Feminine Men, einer der ersten auf LGBT bezogene Songs aus den 1920er Jahren.
Und auch aus dem Folk ist etwas dabei, außerhalb der women´s music. Ein Album von Maria Muldaur (1974) mit ihrem großen Hit Midnight At The Oasis, und Odetta mit einem Folk-Album. Dazu die Roche Schwestern mit mehreren Alben. Sie machen ziemlich deutliche, gesellschaftskritische Lieder (z.B. zu Kindesmißbrauch: Runs In The Family).
Wir hören nun zwei Songs aus den 1970ern hintereinander, People Make The World Go Round von Angela Bofill und davor von Cleo Laine – Control Yourself, ein Lied über mehr oder weniger gelingende Selbstdisziplinierung, aufgenommen live in der Carnegie Hall.
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12) Cleo Laine – Control Yourself
13) Angela Bofill – People Make The World Go Round
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Neben recht speziellen Platten sind aber auch einzelne LPs von Musikerinnen dabei, die sie eventuell wegen der Hits gekauft hat, z.B. Break Out von den Pointer Sisters (1984) mit den Hits Jump und I´m So Exited. Oder von Sade „Diamond Life“ mit dem Hit Smooth Operator. Der Song Sisters are doing it for themselves ist gleich zweimal vertreten, auf der einzigen LP von den Eurythmics in der Sammlung und auf einer LP von Aretha Franklin. Annie Lennox und Aretha Franklin haben den Song ja gemeinsam aufgenommen und dann beide neben der Single auch auf Alben veröffentlicht.
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14) The Eurythmics – Sisters Are Doing It For Themselves
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Sisters are doing it for themselves – manche Songs in der Sammlung verweisen durch ihre Texte auf die Emanzipation von Frauen. Auf einen weiteren Strang, der in Richtung Gender weist, bin ich beim lesen des bereits erwähnten Buches „Glitter Up The Dark“ von Sasha Geffen gestossen. Geffen schreibt, dass die lesbische Kultur im Lauf der 1970er und 1980er Jahre bis in den Pop Mainstream gewandert sei. Das klangliche Merkmal, an dem sie das festmacht, ist die „butch voice“. Butch ist ein US-amerikanisches Schimpfwort für Lesbe, in der direkten Übersetzung bedeutet es Mannweib, also eine Frau, die mit männlichen Attributen wie einer tieferen Stimme ausgestattet ist. Sängerinnen mit solchen Stimmen werden vor allem in den 80er Jahren immer präsenter in der Popkultur. Als Beispiel nennt Geffen die kanadische Sängerin K.D. Lang, die hier in der Sammlung mit vier LPs gut vertreten ist. Es finden sich aber auch viele weitere Sängerinnen, die betont tief singen. Ich erwähnte bereits Sade. Swing Out Sister ist ein weiteres Beispiel. In ihrem Album „It´s Better To Travel“ von 1987 befindet sich ein handgeschriebener Zettel mit dem Text des ersten Songs, Break Out. Es ist der einzige handgeschrieben Songtext in der Sammlung. Auf fast allen Schallplatten der Women´s Music sind die Texte mit abgedruckt. Bei dieser LP nicht. Wir können nur vermuten, Dieser Text war der Sammlerin vielleicht besonders wichtig. „move on, don´t hesitate – break out!“ heisst es dort. Hmm… das war auch die Zeit, in der sie nach Europa aufgebrochen ist.
Wir hören jetzt diesen Song und dann als weiteres Beispiel für eine „butch voice“ K.D. Lang and the reclines – big boned gal (1989) Ein Country Loblied auf eine große Frau, die tanzt wie der Teufel, gesungen von der Countrysängerin K.D. Lang, die sich kurz darauf, 1990 als lesbisch geoutet hat.
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15) Swing Out Sister – Break Out
16) K.D. Lang and the reclines – big boned gal (1989)
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So, ich fürchte, unsere Sendezeit läuft langsam aber sicher dem Ende entgegen, und dabei gäbe es noch so viel mehr aus dieser Sammlung zu berichten. Wir könnten über Prince und seine gender bending Sex Inszenierung sprechen, über David Bowie und seine Inszenierung vpn Androgynität oder uns der Frage widmen, warum die Sammlerin wohl Fan von Steely Dan war. Wir haben uns noch nicht die Blues und Jazz Platten angesehen und kein Wort über die ethnographischen Aufnahmen aus aller Welt verloren.
In dieser Sendung ging es darum, wie das Thema Gender und die spezielle Perspektive einer feministischen Aktivistin, Musikerin und musikbegeisterten Sammlerin immer wieder sehr präsent sind und uns eine ganz andere Popmusik Geschichte abseits des Kanons erzählen. Diese Geschichte macht einige Ausschlüsse des Kanons und mir deutliche eigene Wissenslücken deutlich. Eine Musiksammlung erzählt eine eigene Musikgeschichte, die uns auch immer etwas über die Sammelnden verrät. Mir hat diese zugegebenermaßen sehr zeitaufwendige Annäherung an diese Sammlung bisher viel Spass gemacht. Es ist eine detektivische Arbeit, die noch nicht zuende ist. Ich lerne viel über Musik, über ihre Verbindungen zu LGBTQ+ Aktivismus und über meine eigene Perspektive.
Zum Abschluss möchte ich jetzt noch ein Stück aus dem Bereich Fingerstyle Gitarre spielen, von dem einiges in der Sammlung ist. Khalil Gibran heisst das Stück von Robbie Basho, von seinem Album Zarthus aus dem Jahr 1974. Ein tolles Stück, sehr intim, mit Gitarre und Gesang im orientalischen Stil. Ein Versuch einer Synthese von Musik aus Ost und West.
Ich sage vielen Dank für´s zuhören. Bleibt Bits+Pieces und Radio Artland gewogen, bleibt gesund, wir hören uns bald wieder.
17) Robbie Basho – Khalil Gibran (1974)